Die VEMPs
Die VEMPs (vestibulär evozierten myogenen Potentiale) zu testen gewinnt in der Gleichgewichtsdiagnostik einen immer höheren Stellenwert.
Was sind VEMPs?
Das Gleichgewichtsorgan besteht aus 5 Teilen – 3 knöcherne Halbkreise, die sogenannten Bogengänge, in denen Drehbewegungen des Kopfes gemessen werden und 2 kleine „Säckchen“, Sacculus und Utriculus, sehr kleine Organe mit nur wenigen Kubikmillimeter Volumen, die lineare Beschleunigung wahrnehmen. Durch sie wird zum Beispiel gemessen, wie stark wir beim Autofahren Gas geben und bremsen oder auch das Liftfahren.
Während der vKIT (Video- Kopfimpulstest) die Funktion Drehsensoren beurteilen kann, dienen die VEMPs der Darstellung eben dieser Linearbeschleunigungssensoren Sacculus und Utriculus.
Wie funktioniert die Messung?
Die Messung ist völlig schmerzfrei. Es werden Elektroden an Hals und/oder unter den Augen angebracht. Ins Ohr bekommt man einen Hörer, der während der Messung klickartige Geräusche abgibt. Es ist wichtig, dass Muskeln am Hals angespannt sind während der Messung, denn, wie der Name schon sagt, werden myogene Potentiale gemessen. Das sind Kontraktionen der Muskeln, die durch die Klicks im Ohr stimuliert werden.
Was wird gemessen?
Durch den Klick entsteht im Ohr eine Druckwelle, die durch die Linearbeschleunigungssensoren Sacculus und Utriculus wahrgenommen werden. Diese sind wiederum mit verschiedenen Muskeln des Stützapparates verbunden. Nehmen wir zum Beispiel sehr laute Geräusche wahr, entsteht eine stärkere Druckwelle im Ohr und die Muskeln „zucken“ heftiger. Tatsächlich spüren wir diese Kontraktionen nicht, allerdings können wir sie messen. Da es um den Luftdruck geht, kann die Untersuchung auch bei tauben PatientInnen erfolgreich sein. Sind die Muskeln während der Untersuchung aktiv, können wir das sehen und messen. Regiert der Muskel nicht, funktionieren die Sensoren schlecht oder gar nicht. Sicherstellen muss man vor der Messung, dass der Gehörgang und das Mittelohr frei sind, da auch zum Beispiel Ohrenschmalz zu falschen Ergebnissen führen kann.
Wann wird gemessen?
Vor allem bei chronischen Schwindelerkrankungen kann diese Untersuchung hilfreich sein, um zu einer Diagnose zu gelangen. Beim Morbus Menière (siehe Kapitel „über Schwindel“) kann sie einen sogenannten Hydrops aufzeigen. Auch bei Migräne mit Schwindelepisoden hilft diese Untersuchung um festzustellen, ob das Innenohr betroffen ist.
Da die VEMPs bei Innenohrerkrankungen sehr früh aufzeigen können, dass etwas nicht in Ordnung ist, sind diese auch in Screeningverfahren, zum Beispiel auch bei Kindern, von Bedeutung. Bei immer wiederkehrendem Lagerungsschwindel zeigen sie einen Schaden früh an, welcher ein Risiko für zukünftige Episoden widerspiegelt. Bei seltenen Erkrankungen wie der Bogengangsdehiszenz (einem fehlenden Knochenanteil bei den Drehsensoren) zeigt sich ein typisches Bild bei der Messung. Auch bei intratympanalen Therapien („Spritze ins Ohr“) sind VEMPs für eine Verlaufskontrolle hilfreich.
Fazit
Durch die schmerzlose und einfache Durchführung des Tests und der deutlichen Aussagekraft werden die VEMPs gerne als Zusatzdiagnostik genutzt, einerseits um eine Diagnose zu bestätigen oder auch andererseits um Krankheiten auszuschließen. Das Ergebnis ist sofort verfügbar. Die Untersuchung dauert ca. 20-30 Minuten und wird bei Bedarf als Folge einer klinischen Schwindeluntersuchung durchgeführt.